Aktuell ist „The Watcher“ eine der beliebtesten Serien auf Netflix, und passend zu Halloween kann man beim Anschauen auch einen grausigen Schauder verspüren. Die Frage ist nur: Aus wohligem Gruseln, oder doch eher weil die siebenteilige Serie einfach nur schlecht gemacht ist?
Achtung: Spoiler sind möglich!
Um mal gleich für Klarheit zu sorgen: Ich fand „The Watcher“ eigentlich sehenswert, und die Schauspielerinnen und Schauspieler (u.a. Mia Farrow) waren allesamt eine Augenweide, tolle Leistung. Aber das erwartet man von den US-Profis des Showbiz ja auch – die wissen wie es geht.
Trotzdem gab es zusätzlich genug Kritikpunkte, bei denen ich ich mich frage, ob da dann doch einfach nur schlampig gearbeitet wurde, oder ob das ganze „Werk“ als Parabel zu unserer heutigen Gesellschaft zu sehen ist?
Worum geht es?
Endlich ins eigene Haus ziehen und sicher behütet in der Kleinstadt leben. Dean und Nora Brannock machen sogar ihre Altersvorsorge und das Studiengeld ihrer Kinder flüssig, um sich ihren Traum zu erfüllen: Eine schicke Villa in einer Bilderbuchkleinstadt in der Nähe von New York City.
Dort, wo man Haustüren nicht abzuschließen braucht, und wo Kinder frühmorgens mit dem Fahrrad die Zeitung vor die Veranda werfen. Doch der Traum platzt, als angsteinflößende Briefe eines anonymen „Watchers“ eintreffen, der Dinge über sie weiß, und der geschickt Drohungen formuliert, die langsam aber sicher die Familie zermürben.
Eine richtige „Gruselserie“ ist es nicht direkt, auch wenn so manche Elemente daran erinnern. Angeblich sind die Nachbarn Kinderblut trinkende Satanisten, und der Sohn einer Nachbarin taucht unerwartet im Speiseaufzug der Familie auf, was – neben einem toten Frettchen – für einige Schock-Momente sorgt.
Trotzdem ist das alles unterhaltsam und abendfüllend erzählt. Ich habe die Folgen verschlungen, denn die Zeichnung des Idylls in der Kleinstadt weicht recht schnell einer bedrückenden Atmosphäre. Man erreicht rasch den Punkt, an dem es auf den Nägeln brennt zu erfahren, wer denn nun zur Hölle der oder die Watcher(in) sein mag.
Schön gemacht, eigentlich alle paar Minuten ändert sich das Bild, es könnte wirklich jede und jeder sein! Ist man eben noch sicher, das Komplott durchschaut zu haben, wird wieder neu gewürfelt, und neue Verdächtige bahnen sich auch schon an.
Wenn da nur nicht die Momente wären, in denen man der Familie ins Gesicht schreien würde: „Ey Leute, gehts noch?? Habt Ihr Tomaten auf den Augen?“
Serienmacher Ryan Murphy (u.a. Glee, Pose, American Horror Story…) muss sich vorwerfen lassen, dass es so manche Ungereimtheiten in der Story gibt, die beinahe schon zum Haareraufen sind.
Geradezu lächerlich, dass die Familie in ihrer Not eine Privatdetektivin engagiert, die als ehemalige Jazzsängerin und dem Tode geweiht, noch schnell ein bisschen hobbymäßig Ermittlerin spielen möchte, weil sie es schon immer mal machen wollte. Hä?
Später „zerstört“ die Tochter durch eine heftige Anschuldigung „das Leben ihres Vaters“ (O-Ton aller Beteiligten, die völlig entsetzt ob dieses Vorfalls sind), was dann ein paar Minuten später kaum noch jemanden interessiert – haben die da alle Konzentrationsprobleme?
Dann wird ein Tunnelsystem unter dem Haus entdeckt, das wohl mit allen anderen Häusern der Siedlung verbunden sein soll. Nun ja, man ahnt es schon, wir werden es nie erfahren, denn das wird nicht weiter verfolgt, da der Familienvater, Rechtsanwalt von Beruf, keinerlei Durchsuchungsbefehl besorgt, sondern lieber selbst mal nachfragt, ob er in den Häusern herumwühlen dürfe.
Die mittlerweile feindlich gestimmte Nachbarschaft lehnt (oh Überraschung) dankend ab.
Das Beste allerdings, und da hätte ich echt piepen können:
Frau Brannock schüttet einer Freundin, die total zufällig Maklerin ist, andauernd Ihr Herz über ihr gruseliges Haus aus – und diese rät ihr immer und immer wieder unverblümt, es doch einfach zu verkaufen. An sie, die Maklerfreundin, versteht sich.
Jeder Mensch, der einigermaßen bei Verstand ist, würde bei der Freundin wohl eigennützige Motive vermuten, vielleicht, so irgendwie, oder? Nicht so Nora Brannock: Sie wirkt einen Großteil der Serie wie ein junges Reh, das gemeinen Freundinnen blind vertraut und stets nur daneben steht, wenn ihr Ehemann mal wieder einen Wutausbruch hat. Eigene Ambitionen zeigt Nora Brannock nur, wenn es um ihre Mitgliedschaft im örtlichen Country Club geht. *Kopfschüttel* – denn irgendwie hatte ich hier den Verdacht, unbemerkt den Film gewechselt zu haben, und bei Rosemary´s Baby gelandet zu sein.
Überhaupt ist bei The Watcher alles ziemlich gediegen, beige Kleidung und Einrichtung dominieren, und das Rollenverhältnis von Mann und Frau wirkt so gar nicht zeitgemäß. Erst zum letzten Drittel der Serie wird klar, dass sich Nora zur Hauptverdienerin der Familie mausert. Es wirkt aber ein bisschen wie: Naja, sie ist Künstlerin. Glück gehabt.
Und dann kommt irgendwann das Ende, und man hofft auf eine überraschende Auflösung. Und dann – nichts. Vermutungen, eine leise Ahnung, sonst nichts. Ich persönlich würde sagen, die Hauptschuldige trägt geflochtene Zöpfe (versteht man nur, wenn man die Serie gesehen hat), aber beweisen kann ich nichts.
Manche sagen, es handele sich hierbei um eine gelungene Persiflage unserer derzeitigen Kultur, auf alles was so schief läuft, sowas wie „Cancel-Culture“, Verschwörungstheorien, „Fake-News“, schwindendes Sicherheitsgefühl, usw.
Ich persönlich will diesem Unterhaltungsstück aber auch nicht zu viel Wert zusprechen, denn ich selbst fühle mich nach dem Ende der letzten Folge, als hätte ich ein großes Puzzle zusammengesetzt, nur das letzte kleine Stückchen in der Mitte ist unauffindbar. Man sieht das Bild, doch es wirkt trotzdem unfertig.
Bei einem Film oder einer Serie muss das nicht schlecht sein. Mehr Raum für die eigene Phantasie. Warum eigentlich nicht?
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(Fotos: Netflix Keinerlei Sponsoring)
Guten Morgen zusammen,
die Serie klingt interessant, werde ich mir sicher demnächst anschauen. Klingt ein bisschen nach „Meine teuflischen Nachbarn“. Jetzt werde ich aber erstmal die deutsche Serie „Hausen“ schauen, in der es um ein Horror-Hochhaus geht. https://www.sky.de/serien/hausen-190389
Gerade schaue ich „Die 12 Geschworenen“, es handelt sich allerdings nicht um eine Neuverfilmung des Klassikers von 1957 mit Henry Fonda. Es ist eine eigenständige, belgische Fernsehserie.
Liebe Grüße und einen schönen Sonntag
Klingt spannend, und ausgerechnet jetzt ist mein Sky-Abo ausgelaufen. 😱
Mal sehen, ob ich es reaktiviere. Müsste ja Rabatt geben, wenn ich noch etwas warte. 😉
Liebe Grüße
KK
Ich bin ja ein großer Fan von „Babylon Berlin“ und der 20er Jahre insgesamt, von daher würde sich das meiner Meinung nach auf jeden Fall lohnen. Die vierte Staffel läuft gerade.
Hallo lieber KK ,
Suche doch einfach nach : Sky Deals, vielleicht ist etwas dabei für dich.
Lg Birgit
Guten Morgen, diese Serie steht als nächstes auf meiner Liste. Bin gerade mit Jeffrey Dahmer fertig geworden. Sehr krank…. Ich liebe ja ja Grusel und Horrorfilme und einer meiner absoluten Lieblingsserien auf Netflix sind Spuk in hounted hill und Spuk in Bly manor. Allein die Häuser find ich so toll
Schönen Sonntag
Natascha
Häuser-Grusel finde ich auch optimal. Bei Dahmer war ich nach der ersten Folge raus. Puh, psychisch belastend, fand ich. Auch „Blond“ (über Marilyn Monroe) war zu deprimierend für mich. Hoffentlich kommt mal wieder ein gutes altes englisches Spukhaus. 😉
Liebe Grüße
KK
Kennt ihr „Die Frau in Schwarz“? Kann ich sehr empfehlen, allein schon wegen der Landschaft und der schaurig-schönen düsteren Farben. https://www.yearsofterror.eu/2019/03/die-frau-in-schwarz-2012-review/
Die Frau in schwarz hab ich auch gesehen. Fand ich auch cool
Liebe Grüße
Natascha
Mit The Watcher bin ich auch durch und habe die Serie, trotz der in die irre führenden Spuren und des unbefriedigenden Endes, wegen der guten Schauspieler gerne gesehen. Es war gerade so viel Grusel, wie ich gut wegstecken kann.
Dahmer werde ich auf gar keinen Fall schauen; schon die Kurzfassung hat mir klargemacht, dass ich mir die Geschichte nicht bildlich vor Augen führen möchte.
Ich habe vor einem Jahr mal den Fehler gemacht, die True Crime Story Don“t F**k with Cats zu schauen und musste sie auch zu Ende schauen, mit der Folge, dass ich noch sehr lange an der Geschichte zu knabbern hatte.
Ähnlich grauenhaft fand ich auch „Die Schlange“, über einen Serienmörder, der in den 70er Jahren in Asien reisende Hippies systematisch ausgeraubt und umgebracht hat.
LG und einen schönen Sonntag, Susanne
Liebe Susanne,
„Die Schlange“ habe ich nach der ersten Folge nicht weiter geschaut. Plumpe Gewalt und abschlachten ohne jegliche Spannung, wie etwa bei „Das Schweigen der Lämmer“, was ja auch sehr gewalttätig war.
„Dahmer“ werde ich auch nicht schauen.
Viele Grüße
Guten Morgen, The Watcher wird nicht aufgelöst, da es sich um eine wahre Geschichte handelt, die so – oder zumindest so ähnlich – passsiert ist und hier die Identität des Watchers auch nie aufgelöst wurde. Ist aber tatsächlich sehr schade. Das beschriebene Gefühl mit dem Puzzel kann ich sehr gut nachvollziehen. LG Michaela