In diesem Jahr ist Ostern irgendwie komisch, aber das ändert nichts daran, dass ich bei der Erinnerung an das Osterfest vom letzten Jahr am liebsten im Erdboden versinken würde. Peinlich, wenn man seinen Kopf offenbar nur für Shampoo-Tests gebraucht. Ich sehe es noch ganz genau vor mir…
…als ich am Ostersonntag des letzten Jahres, morgens etwas zu forsch aus dem Bett stieg. Vor dem Bett lag ein kleiner Stapel Zeitschriften, auf dem ich natürlich prompt ausrutschte, den hatte ich wohl gänzlich vergessen. Es machte ein bisschen „zick“, ein wenig „Zack“, und mein rechter Oberschenkel fühlte sich schmerzlich gezerrt an.
War ja klar, solche Dinge passieren immer, wenn man es eilig hat. Und ich war eilig, denn natürlich hatte ich an diesem Morgen verschlafen. Einen Wecker besitze ich nicht, ich habe eine eingebaute Uhr. Eine Atomuhr. Ach was, ich BIN eine Atomuhr.
Nun ja, heute wohl nicht, dachte ich, und massierte den halbwegs verunglückten Oberschenkel, der sich langsam wieder beruhigte, und beobachtete noch leicht benebelt die Sonne, die schon viel zu hoch am Himmel stand und mir signalisierte, dass der Mittag nicht fern sein konnte. Noch eine Stunde Zeit, dann musste ich bei meiner Freundin Bärbel sein, die heute, am heiligen Ostersonntag, ein…äh…lustiges Eiersuchen für Erwachsene in ihrem riesigen Garten veranstaltete.
Garten war untertrieben, eigentlich war es eher eine Parkanlage, für die man Eintritt verlangen könnte. Große alte Bäume, gepflegte Beete, alles schick und ordentlich, das Gärtnerteam pausenlos im Einsatz für dieses weiträumige Statussymbol. Dort eine österliche Eiersuche zu veranstalten, war übrigens genauso sinnvoll, wie eine herausgefallene Kontaktlinse im Schwimmbecken eines Freibads im Hochsommer wiederfinden zu wollen. Aber bitte, Bärbel ist da anders gestrickt. Und Eiersuche war wohl gerade cool. Was Bärbel noch mehr liebt als protzige Gartenanlagen und fragwürdige Erwachsenen-Eiersuchen? Pünktlichkeit. Oha.
Ein Schnelldurchgang musste heute reichen: Duschen, rasieren, Creme drauf, anziehen…und los! Vor meinem geistigen Auge hatte ich diese Abläufe alle genau geplant, ich wäre sicherlich pünktlich, und der Ostersonntag könnte dann plangemäß stattfinden.
Ich würde sicherlich mehrfach die Augenverdrehen, wenn alle wie blöde in Bärbels verwunschenem Wald herumeierten, um eben diese bunten Dinger zu finden. Obwohl, es sollten nur die besten Schoko-Eier und Marzipanhasen in ihren Verstecken warten, das wusste ich bereits. Trotzdem…Augen verdrehen war bei solchen Gelegenheiten meine Lieblingsbeschäftigung, während ich so tat, als würde ich tatsächlich der Meute folgen, stand ich aber nur daneben und hielt mein Sektglas leger in einer Hand.
Das waren meine letzten klaren Gedanken, dann ging alles sehr sehr schnell.
Genau in der Sekunde, als die Haustür ins Schloss fiel wusste ich es. Der Wohnungsschlüssel steckte noch auf der anderen Seite der Tür, und die war zu, zu, zu! An dieser Stelle schone ich meine tippenden Finger, und die Leserschaft stelle sich nun bitte einen osterbunten Strauss der allerfeinsten Flüche vor. Sehr viele davon.
Hatte ich erwähnt, dass ich neben meiner eingebauten Atomuhr auch über einen Schlüssel-abzieh-Mechanismus verfüge, der unfehlbar, mir in Fleisch und Blut übergegangen war, und mich noch nie im Stich gelassen hatte? So wie man das Fahrradfahren nie mehr verlernt, konnte es mir keinesfalls passieren, den Schlüssel im Türschloss zu vergessen. Eigentlich.
Meine Gedanken schwirrten. Finde endlich mal wieder den roten Faden und sammle Dich, befahl ich mir innerlich, und als Konsequenz huschte mir sogleich eine andere Katastrophe ins Bewusstsein: Ostersonntag! Müsste ich heute den Schlüsseldienst rufen, würde mich die professionelle Türöffnung wahrscheinlich eine Stange Geld, eine Niere und mein Erstgeborenes kosten. OK, den letzten Punkt können wir vergessen, aber das binde ich diesem feisten Schlüsseldienst-Rumpelstilzchen ja nicht auf die Nase.
Und ich würde zu spät zu Bärbels munterer Ostersause kommen. Das Augenverdrehen konnte ich wohl vergessen. Reumütig würde ich auf Knien in den hintersten Ecken der Rosenbüsche nach Marzipanhasen Ausschau halten, nur um den Verspätungspatzer wieder auszumerzen.
Ich erreichte prompt die allseits bekannte Phase der Verfluchungen. Verflucht und zugenäht, warum gibt es eigentlich keine Warnsysteme für vergessene Schlüssel im Schloss? Selbst mein in die Jahre gekommenes und lieb gewonnenes Automobil erinnert mich mit einem impertinenten Piepen daran, dass ich Trottel beim Aussteigen den Schlüssel im Schloss stecken gelassen habe, oder das Licht noch brennt.
Warum zur Hölle besaß ich nicht eine dieser modernen Türen, die man per App öffnet, oder gar mit dem eigenen Fingerabdruck? Den vergisst keiner so schnell auf der Anrichte im Flur. Warum? Warum? Nur für den Kick…für den Augenblick? Es half alles nichts, ich war verzweifelt und konnte nicht mehr klar denken.
Meine Atomuhr, mein wasserdichter Schlüssel-abzieh-Mechanismus, alles perfekt und zu 99,9% sicher. Mit dieser Quote könnte ich ein Kernkraftwerk auf höchster Sicherheitsstufe betreiben, und daneben würden friedvoll Kühe weiden und zahlreiche Kindergärten eröffnen. Nur heute, heute war Kernschmelze.
In jedem Haushalt hängen heutzutage Rauchmelder und Gaswarner, warum nicht auch gleich ein Schusseligkeitsdetektor, der frühzeitig per markdurchdringendem Ton das faulenzende Gehirn schlagartig wieder aufweckt, wenn man das Haus verlässt und gleichzeitig der Schlüssel noch steckt, oder das Hochleistungsbügeleisen auf Stufe „höllenheiß“ gottvergessen auf dem frisch gestärkten Hemd liegt? Erfindet das mal bitte jemand…und beteiligt mich wenigstens mit ein paar Prozent Geniusprovision?
Schlußendlich kam es dann doch noch zu so einer Art Geistesblitz, denn im scheinbar undurchdringlichen Dickicht meiner panischen Gedanken, formte sich urplötzlich die Hoffnung, dass ja die Nachbarin von schräg gegenüber meinen Not-Schlüssel lagert. Mein Gott, wenn sie jetzt auch noch zuhause war, wäre der Ostersonntag gerettet.
Mit federnden Schritten ging es rüber zum Haus der Nachbarin. Nach mehrmaligem Schellen öffnete niemand, aber ich hörte Stimmen aus dem Garten. Also ging ich ums Haus, und da sah ich sie. Die Nachbarin, mit ihrem Mann und den Enkelkindern. Kniend auf dem Rasen, die Älteren im hinteren Teil, in besonders dornigen Rosensträuchen wühlend, und mit kleinen Bastkörbchen bewaffnet, aus denen verdächtig bunte, eiförmige Dinge lugten. Ich glaube, die hatten Spaß.
Die schon etwas älteren Enkelkinder standen weiter vorne, beäugten die Szenerie deutlich genervt, zumindest kam mir der verdrehte Augenaufschlag ziemlich bekannt vor. Die freuten sich dann aber auffällig übertrieben, als sie die willkommene Ablenkung, also mich, erkannten.
Schnell war die Situation erklärt, der Not-Schlüssel überreicht, und ich konnte froh und glücklich meinen Hauptschlüssel abziehen und in meine Tasche stecken, wo er hingehörte. Dann schnell den mehr als kostbaren Notschlüssel wieder im Nachbarhaus deponiert, zusammen mit einer noch (für eben solche Notfälle) gelagerten Schachtel „Merci“ (genau für Trottel wie mich wurde das Zeugs doch erfunden, oder?), und auf ging es halbwegs pünktlich zu Bärbels Ostersause.
Der Rest des Tages verlief dann ohne unheilige Zwischenfälle, aber doch wie geahnt mit viel Augenverdrehen, Eierpunsch und Kartoffelsalat, und als ich am Abend etwas abgespannt zuhause ganz besonders behutsam den wundervollen Schlüssel in diesem herrlichen Türschloss drehte, um die Haustür abzusperren, verwarf ich den Gedanken an eine Selbstwarnanlage gegen die eigene Dummheit wieder ganz schnell. Wozu Warnen, wenn das Leben doch voll ist, von diesen unvorhersehbaren Buckelpisten? Wer will schon die All-Inclusive Versicherung fürs Leben?
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(Fotos: Konsumkaiser Keinerlei Sponsoring)
Guten morgen und schöne Ostern! Hab ich gelacht, ich kann nicht mehr! Du kannst so toll schreiben!!!!!!!!!! Hatte die Bilder dazu direkt vor den Augen! Liebe Grüße
Und in diesem Jahr darfst du dich ausruhen und den Osterhasen ein gutes Tier sein lassen, in diesem Sinne: frohe Ostern und danke für die amüsante Geschichte (ist halt immer amüsant wenn es anderen passiert 😉). Genieße die Sonne und liebe Grüße
Guten Morgen,
danke für diesen humorvollen Beitrag.
Erst dachte ich, ach du liebe Güte, so viel geschrieben und ich wollte es nur kurz überfliegen. Ich war dann aber sofort gefesselt und habe mit Genuss jedes Wort ganz langsam gelesen.
Ich warte auf dein erstes Buch!
Liebe Grüße und schöne und gesunde Ostertage für dich und alle Mitleser,
Gabi
Wie geil, KK, ich hab so gelacht. Danke!!! 😃😁 Frohe Ostern!!! 🐰🌞 Liebe Grüße
Hach, danke für die Lacher heute Morgen. Habs am Frühstückstisch der Familie vorgelesen und alle mussten laut mitlachen und dir recht geben. Wer hat sowas nicht auch schon mal erlebt, inklusive fluchphase. 😉
Frohe Ostern an alle hier! 🌸
…gut, dass ich nicht allein so schusselig bin. Danke, hab herzlich gelacht – und echt super geschrieben 👍
Schöne Ostertage!
Guten Morgen,
herzlich gelacht.
Somit hat es sich doch gelohnt. :))
Schöne Zeit ,
für alle!
sylvia
Lieber KK,
vielen Dank für Deinen Osterbeitrag. Auch ich musste lachen.
Dieses Missgeschick ist mir schon zweimal passiert, das anschließende Fluchen kommt mir sehr bekannt vor :-), deswegen konnte ich mich gut in Deine Situation hineinversetzen.
Aber sobald sich die düstere Stimmung wieder gelegt hat, muss man doch über seine eigene Schusseligkeit lachen. 🙂
Allen schöne Osterfeiertage. Macht das Beste draus.
Lieben Gruß
Iris
Lieber KK,
habe heute morgen schon kräftig geschmunzelt. Vor meinem geistigen Auge bist Du todschick mit Anzug von Frau Westwood und hochglanzpolierten Schuhen von Valentino, mega duftend auf der Party erschienen. Dann mit dem Outfit auf Knien durch das Unterholz gekrabbelt….
Die Schuhe kann man putzen, aber die Anzughose musste von Frau Westwood zu Shorts umgenäht werden…. Super !!!
Die idee einen Schlüssel beim Nachbarn zu hinterlegen ist schlau. Meine Mutter hat Ihren in einem kleinen Marmeladenschraubglas im Garten vergraben. Ein Stein, Laub und Moos drüber.
Auch eine gute Idee. Wir haben einen beim Vermieter. Kann ja sein das ein Wasserrrohrbruch ist und keiner ist da. Schreckliche Idee.
Ich wünsche allen frohe Ostern.
Lieber KK,
herrlich!!!! Du kannst so toll schreiben und so herrlich ironisch sein.
Der Wunsch nach einer Sicherheitsanlage gegen die Schusseligkeit ist mir auch sehr bekannt. Ich frage mich auch immer wieder, welcher Idiot eigentlich auf diese grandiose Idee gekommen ist, wohl wissend, dass dir Antwort mich im Spiegel erwartet.
So war ich sehr verwundert, als ich nach der ersten Woche die frischen, in weiß lackierten Felgen meines neuen Autos, welches wir lange konfiguriert hatten, betrachtete, und sie ganz schön schwarz vorfand. Tja. An sowas denkt man nicht. Ich hab nun 2 Ausführungen, in hell-sauber und in dunkel-müsstemalwiedergewaschenwerden. Mit Humor geht es dann, aber schützt nicht vor nächsten „Katastrophen“.
Aber so eine Anlage würde und dann auch genau solche Geschichten nehmen. Und das wäre schade.
Ein Buch von dir würde ich auch kaufen, vielleicht kommt es ja noch.
Ich wünsche dir, deiner Familie und deinen Lesern frohe Ostern und bleibt gesund!