LIFESTYLE: KUSCHELN, KEIFEN, KOTZEN – WARUM TRASH-TV AUCH 2019 SO GUT FUNKTIONIERT

Im Sommer lieben die Menschen scheinbar besonders seichte Unterhaltung, kein Wunder, wenn sich das Gehirn bei 40 Grad verflüssigt. Trash-TV schaue auch ich mir manchmal (auf eine ironische Weise, ähem) gerne an, aber was man derzeit bewundern kann, ist selbst mir eine Nummer zu flach. Formate wie „Das Sommerhaus der Stars“ und „Die Bachelorette“ sind aber erschreckend erfolgreich, und Grund für mich einmal zu schauen, warum dieses ultra trashige Fernsehen so gut funktioniert.

 

Vergleicht man Trash-TV wie „IBES“ mit den derzeit laufenden Sendungen, wie zB. „Die Bachelorette“ kommt man zu dem Schluss, dass der RTL Dschungelshow umgehend der Grimme-Preis verliehen gehört. Noch nachträglich für die letzten zehn Jahre. Doch was ist das Rezept, das die Trash-TV Formate auch 2019 noch so erfolgreich macht?

 

Bei der nicht totzukriegenden „Bachelorette“ fragt man sich ja bereits seit Jahren, woher die Macher immer wieder diese Brote auf zwei Beinen Typen bekommen, die sich in der Sendung innerhalb von zwei Minuten dermaßen blamieren und entblößen, sodass mir selbst Lothar Matthäus als legitimer Nachfolger von Albert Einstein logisch erscheint.

Der Balztanz im Kabinett des Grauens ist so dermaßen schlimm, dass wir dringend eine Wortneuschöpfung zur Steigerung des „Fremdschämens“ brauchen. In diesem Jahr heißt die Bachelorette ausgerechnet Gerda, ist Influencerin, und scheint erstmal ne echt nette Person zu sein. Sie lächelt fein und lässt selbst die blödesten Typen nicht ganz so vertrottelt erscheinen (btw. sie scheint BDE zu besitzen), was geradezu eine unmenschliche Meisterleistung ist.

Alle weiteren Begebenheiten dort werden wie folgt perfekt und erschöpfend beschrieben: „Hach, ich bin so aufgeregt!“ „Ich auch!“ Humpta, Humpta, Tätärää! Verteilen von Schnittblumen. Fertig.

 

Beim „Sommerhaus der Stars“ ist das noch etwas einfacher, da lockt man abgehalfterte und verzweifelte „Prominente“ mit einem angeranzten Mortadellabrötchen in ein altes Abrisshaus und verrammelt für einige Tage die Türen. Dazu genug Hochprozentiges, die Würde wurde an der Tür abgegeben, und die Krawallspiele mögen beginnen.

Übrigens ist das Wort „prominent“ heutzutage ja relativ, es gibt Schnappschildkröten mit eigenem Instagram-Account!

Ach so, schön warm muss die Location sein, damit die „Stars“ möglichst freizügig durchs Bild schlurfen. Und dabei ist nicht gemeint, dass man unbedingt begnadete Körper sehen muss. Je dicker die Wampe, desto größer die Häme beim Zuschauer, und damit wohl auch die Grundzufriedenheit, die damit ausgelöst wird: „Guck mal, ist DER fett geworden!“

Wenn dann spätestens in der zweiten Folge alle Hemmungen fallen, und die Augen der „Stars“ so leer wie ihr Bankkonto vor sich hin starren, wird es wild und hemmungslos. Man wartet geradezu darauf, dass irgendeine Schwester einer anderen Ische, die mal ein Café auf Mallorca hatte, dem Schlagersänger mit den schwarz gefärbten Haaren und der 18-jährigen „Liebe seines Lebens“ das angerostete Brotmesser in den Bauch sticht…

Gewalt ist keine Lösung, doch im Trash-TV sieht das deutlich anders aus. Da kann man Dinge sagen und tun, die sind asozial, und die Zuschauer klatschen mit Sabber im Mundwinkel Applaus.

Liebe und Sex gehen natürlich auch, ich will mich da nicht so sehr auf die (hoffentlich meist verbale) Gewalt versteifen. Versteifen möchte sich auch gerne der eben erwähnte Schlagerfuzzi, der schon in Folge 1 tönt, dass er mit seiner blutjungen Gespielin gerne Sex in dem Haus der tausend Kameras hätte. Gott bewahre, davor möge das Brotmesser sein…

Aber nähern sich ein paar andere Protagonisten wenigstens 30 Zentimeter einander an, so plärrt sogleich das Saxofonsolo von „Careless Whisper“ los, und die Romantik beginnt. Weichzeichner an! Verträumte Blicke, Liebesschwüre, Küsse… Trash-TV muss wie eine Mischung aus Bilitis und Bibis Beautyplace sein.

Beim „Dschungelcamp“ kann man zum Glück immer noch anführen, man versuche sich in soziologischen Studien, und überhaupt ist das Verhalten der Menschen in Extremsituationen äusserst lehrreich. Alles eine Parabel auf die Egomanie der Instagram-Gesellschaft. Doch diese Hilfslüge zieht bei den o.g. Formaten einfach nicht. Metaebene Adieu! Nein, platt bleibt platt, da hilft auch die hundertste Alkoholbeichte nicht.

Die Entzauberung hatte bereits begonnen, als wir schon zu Anfang über den begeisterten Zuschauer sprachen, der sich am überhängenden Bonusgewebe der „Stars“ erfreut, was wird da erst gegackert, wenn der „Promi“ unter Tränen und vor allen Kameras seinen (nächsten) längeren Besuch in der Betty Ford Klinik ankündigt?

Trash-TV lebt aber auch (angeblich) von Actionszenen, und darum machen die verzweifelten Leutchen im Fernsehen alles, was von ihnen verlangt wird. Gerne auch Kühe mit dem Mund melken und die üppigen Leiber aus mehreren Kilometern Höhe auf die Erde stürzen lassen. Warum nicht, die haben ja sonst nix, könnte man denken.

Da drängt sich mir zum Schluss die Frage auf, wie das denn weiter gehen könnte? Es gehört zur DNA solcher Formate, dass ständig einer draufgesetzt werden muss, um das lüsterne Publikum bei Laune zu halten. Hatte man jetzt bereits endlich den dauerrolligen Wendler mit seiner BL (barely legal) Gespielin vor der Kamera, der auch noch ständig zum Kotzen ist (Warum wohl? Schwanger, oder doch der Begleiter?) – was soll da noch kommen? Mindestens eine transsexuelle und sexsüchtige Ex-Nonne, die ihre fünf Kinder von sieben Vätern strikt vegan ernährt? Promi-Big Brother kündigt sich also bereits an.

Scheiss auf 5000 Jahre Kulturgeschichte, wir sind jetzt im Schnapspralinen-Zeitalter, nach uns die Sintflut! Und ich muss jetzt irgendwie mal dringend unter die Dusche, das liegt nicht an den gerade durchgemachten vierzig Grad im Schatten…

 

 

 

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(Fotos: Konsumkaiser, Pixabay, Wiki Commons    Keinerlei Sponsoring)

 

 

 

 


9 Gedanken zu “LIFESTYLE: KUSCHELN, KEIFEN, KOTZEN – WARUM TRASH-TV AUCH 2019 SO GUT FUNKTIONIERT

  1. Köstlich! Ich liebe diesen Humor so sehr. Du solltest Miky Beisenherz ablösen.

    Ein schönes gemütliches Restwochenende wünsche ich noch… bei endlich wieder angenehmeren Temperaturen

  2. “ Mindestens eine transsexuelle und sexsüchtige Ex-Nonne, die ihre fünf Kinder von sieben Vätern strikt vegan ernährt? “

    Ha,ha,ha.

    1. @Ombia: KK hat noch vergessen zu erwähnen, dass sie auch Multiallergikerin ist und dafür kämpft, dass ganz Bielefeld endlich wieder bei google maps angezeigt wird!

      @KK: Herrlich! Du solltest für‘s Schreiben nicht nur Kommentare von uns bekommen, sondern auch noch jeden Menge Geld (also, nicht von uns, sondern von irgendwem😀).. Ich habe mich köstlich amüsiert. Also, beim Lesen Deines Postings, nicht beim Ansehen der Sendung. Da verweigere ich mich. Ich habe immer Angst, dass das auf Dauer intelligenzmindernd ist. Ganz bestimmt!

      1. Dankeschön! Ich schaue vorsichtshalber auch nur immer mal rein und keine ganze Sendung oder Staffel. Man hat eh schon zu viel unnützes Wissen gespeichert. Aber du glaubst nicht, wie oft das beim Smalltalk vorkommt. Es schauen mehr Leute als man denkt, und man kann ja auch so schön darüber lästern. 😉

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