Lust heute auf verträumte und leicht melancholische französische Chansons? Da wäre ich auch nicht drauf gekommen, wäre ich nicht zufälligerweise mit dem heute vorgestellten Sänger um dreihundert Ecken verwandt. Lustig, wie klein die Welt sein kann, aber das Lied lohnt sich tatsächlich, auch ohne Verwandtschaftsbonus…
Blogger lieben es: Storytelling. Das bedeutet, man baut eine Story um etwas herum, das man bewerben oder bekannt machen möchte. Im besten Fall verkauft sich das dann wie geschnitten Brot. Manchmal kommen da abstruse Geschichten zusammen, aber ich versuche es auch einmal. Allerdings erzähle ich ich heute tatsächlich aus dem Nähkästchen…
Meine Familie ist ja recht weit in der Welt verstreut. Aber wenn es etwas Großes zu feiern gibt, dann kann sich der ganze Haufen schon mal aufraffen und zusammenfinden. So wie letztens, als ich zur großen Hochzeitsfeier in die Nähe von Marseille geladen wurde.
Mal ein paar Tage weg…das tut gut. Auf dem Blog merkt man das, wenn ich zB. die Kommentare deutlich später freischalte, und nur wenig selbst mitmische. Blogposts schreibe ich dann ein paar Tage vor, sodass nichts ausfällt.
Ein wenig komisch ist es schon, wenn eine große Familie zusammenkommt, denn man entfernt sich doch irgendwie voneinander, fremdelt zu Anfang arg, und ich saß etwas verloren in dem prächtigen Festsaal und schaute verwundert auf all die Leute, die mir teilweise völlig unbekannt schienen.
Mir gegenüber saß eine meiner Tanten, die wiederum ihre Schwiegertochter im Schlepptau hatte, die ihrerseits mit Schwester und (erwachsenen) Kindern anwesend war – ich sag ja, es war voll! Und als mir eine der Damen erzählte, dass nun gleich ihr Sohn einen Gesangsauftritt haben würde, muss ich wohl doch ein wenig mit den Augen gerollt haben.
„Non non, der Junge ist gut. Warte ab, er war sogar schon im Fernsehen!“ beeilte sie sich mich in ratterndem Französisch zu beschwichtigen. Ich dachte nur daran, dass ich gerade wenigstens mein Französisch aufpoliere und suchte bereits nach einem Weg zur Bar, um den angedrohten Gesang erträglicher zu machen.
Und dann kam Thierry auf die kleine Bühne, begrüßte alle herzlich, das Brautpaar jubelte, das Musikplayback begann und ich rollte schon wieder mit den Augen: Zu viel Zuckerguss! Darauf einen guten Wein, davon haben die Partyplaner wenigstens Ahnung gehabt.
Und dann ging alles ganz schnell. Den Wein in der Hand, ertappte ich mich vier Minuten später mit Tränen in den Augen. Thierry hatte ein wundervolles Chanson gesungen, so gefühlvoll, alle lagen sich in den Armen schluchzten und jubelten Thierry gleichzeitig zu. Ein tiefer Seufzer holte mich zurück. Oh, das war ja ich.
Ich erfuhr später, dass der Sänger mit den samtenen Stimmbändern Thierry Amiel heißt und in Frankreich vor längerer Zeit durch „Nouvelle Star“ (sowas wie „Frankreich sucht den Superstar“) bekannt wurde. Dann wurde es ruhiger um ihn, doch ausgerechnet im April will er seine nächste Single und ein Album veröffentlichen. Mehr konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen, denn kurz danach wurde ich durch böse Partyspiele und viel zu viel Rotwein abgelenkt…Ähem.
Der wunderbare erste Song ging mir aber nicht mehr aus dem Kopf, und ist mittlerweile einer meiner Lieblingssongs derzeit. Darauf wäre ich ohne die lustigen verwandtschaftlichen Verhältnisse wahrscheinlich niemals gekommen. Wie schön! Hier ist der Song von dem ich gerade geschwärmt habe (2007):
.
(Foto: Thierry Amiel Keinerlei Sponsoring)
Ach, was für ein wunderschönes Lied, jetzt hab ich in aller Frühe schon Tränen in den Augen und einen Kloß im Hals 🙂 Danke dafür und Dir einen wundervollen Tag!
komischerweise sind mir die Franzosen aus dem Kopf, habe aber Jaque Brel u.s.w. in meiner Musikkiste. Wunderschön melancholisch ist die Musik.. Danke, für diese morgendliche Vorstellung..
schönen Tag
Sehr schön und ein zauberhaftes Video. Danke fürs Teilen!
Bezaubernd!!! Danke
Ach wie schön ! Ich erinnere mich sogar noch an diese Staffel von „la nouvelle star“, mein Sohn war damals noch klein und wir haben uns das immer anschaut. Thierry ist damals glaube ich Zweiter geworden, zu Unrecht, wie die Jury fand, er hätte Erster werden sollen. Nun ist es tatsächlich so, dass wohl sein Schaffen eher unsere Generation anspricht und weniger die Millenials. Das Lied ist sehr berührend, ich habe in den letzten Jahren 2 enge Verwandte verloren und meine Mutter ist jetzt die alte Dame, die ganz alleine zurück geblieben ist,ohne die Liebe ihres Lebens, der sich auf einmal sehr zügig mit nur 68 Jahren verabschiedet hat. Wir sind jetzt in diesem Alter, mit den alten Eltern und den vielen Verlusten, die uns gleichzeitig auch unsere eigene Endlichkeit vor Augen führen.
Liebe Exberlinerin, genau das was du beschreibst vermiest mir das Älterwerden. In den jüngeren Jahren werden wir oft mit glücklichen Momenten überschüttet, nur um später ständig leidvolle Verluste hinzunehmen. Es wird nicht leichter, das Leben, es wird immer schwerer.
Liebe Grüße!
KK
Liebe Exilberlinerin, lieber KK,
auch ich beneide Mitmenschen ab +/- 45, 50 Jahren, die in Familie und Freundeskreis noch keine schweren Verluste erlebt haben und daher – für mein Gefühl – unbeschwert(er) durchs Leben gehen. Erst gestern wieder vom überraschenden Tod einer engen Freundin erfahren, empfinde ich das wieder besonders deutlich.
Früher eine absolute Optimistin, bekommt dies im Lauf der Jahre doch einige Risse … leider :-(.
Dass auch das zum Leben gehört, und Trauer quasi der Preis für viele Jahre Nähe, Zuneigung und Liebe ist, ändert nichts daran, dass man liebgewonnene Menschen – und Tiere! – gerne für immer in seinem Leben behalten möchte …
Ja Ihr Lieben, das ist wohl etwas, was uns Menschen alle irgendwann betrifft, und etwas, das in unser aller Leben irgendwann vorkommen wird (und das auch nur, wenn es optimal läuft. Eltern, die ein Kind verlieren…. nun aber lassen wir das) und anscheinend ein Prozess, den wir alle durchlaufen müssen. Ich hadere aber auch sehr damit, wenn man jung ist, kann man sich das alles gar nicht vorstellen (und auch das ist wahrscheinlich von der Natur so vorgesehen). Und irgendwie lebt man ja in der Erinnerung seiner Nachkommen, sofern man ein liebevolles Verhältnis hatte, wirklich weiter. Wie oft denke ich noch an meine Oma, die schon seit 22 Jahren tod ist. Und die Großmutter meines Mannes habe ich nie gekannt, aber aus den vielen lustigen und liebevollen Anekdoten steht sie mir lebhaft vor Augen.