„Queen of less“ So wurde Jil Sander während ihrer international erfolgreichsten Zeit Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre genannt. Kaum ein Designer prägte das Bild der erfolgreichen und eigenständigen Frau in dieser Zeit so eindrucksvoll, und Jil selbst verkörperte dieses Image perfekt. Ausladende Schulterpolster und aufdringliche Parfüms waren damals angesagt, und auch heute noch erinnert man sich zB. hauptsächlich an den Duft „SUN“ wenn man an Jil Sander denkt. Doch wie ist es der genialen Designerin und ihrer Firma in der Zwischenzeit ergangen…?
Die Änfänge
Jil Sander (*1943) gründete ihr Unternehmen bereits 1963 in Hamburg und erschuf damit die Marke Jil Sander. Zuvor hatte sie als Moderedakteurin für die Frauenzeitschriften Petra und Constanze gearbeitet. Ihr Handwerk lernte sie an der Staatlichen Ingenieurschule für Textilwesen in Krefeld.
1967 eröffnete sie im Hamburger Stadtteil Pöseldorf ihre erste Boutique, in der sie erst ab 1974 neben ihren eigenen Entwürfen auch Rykiel und Mugler verkaufte.
Ganz interessant war ihre Einstellung zu Qualität und Preisen: Sanders ursprüngliche Idee war „Gutes Design für wenig Geld“ also simple Bekleidung massenhaft hergestellt in Indien. Nachdem diese Idee scheiterte, änderte sie ihr Konzept in Bekleidung von höchster Qualität in kleinen Stückzahlen. Aber erst Ende der 70er Jahre wurde sie damit erfolgreich, erfand den „Zwiebellook“ und bekam auch endlich internationale Anerkennung. Mangels Kapital konnte sie sich noch keine Topmodels leisten und wurde selbst Imageträgerin ihres Unternehmens. Ihr Look, ihr Aussehen war 100% Jil Sander.
Der Erfolg
Das war auch der Zeitpunkt als Jil Sander in Kooperation mit Lancaster (Coty Prestige) Duft- und Pflegelinien herausbrachte, die enorm erfolgreich waren. Jil Sander „SUN“ (1989) gehört bis heute zu den umsatzstärksten Damendüften. Der enorme Erfolg der Kosmetikserien war der Grundstein für die Expansion des Unternehmens, endlich kam Geld in die Kassen.
1989 wandelte Jil Sander ihre Firma in eine Aktiengesellschaft um, die als eine der ersten Modeunternehmen an der Börse Frankfurt gehandelt wurde. Sander wurde immer angesagter, denn in den 90er Jahren wandelte sich die Mode hin zu deutlich minimalistischeren Designs, die die Designerin ja schon seit Jahren zeigte. Jil Sander Mode nannte man damals „Avantgarde“ Besonders groß wurde Sander im asiatischen Raum, und selbst in Paris eröffnete sie einen Flagshipstore.
1997 startete die Jil Sander Herrenkollektion, die schnell mehr als 20% des Firmenumsatzes einbrachte.
Ich hatte mal so einen typischen „Lochpulli“ von Jil Sander, den ich so gut wie nirgends tragen konnte, und der so teuer war, dass ich vom Kauf tatsächlich Bauchschmerzen bekam! Minimalistisch gut und schön, aber bei den Männern hatte ich immer das Gefühl Hui-Buh das Schloßgespenst wäre der Designer gewesen. Und auch heute sieht das alles ein wenig schwindsüchtig aus. Aber über Geschmack lässt sich nicht streiten…
Abschied und Rückkehr…meeehrfach
1999 kaufte der italienische Prada Konzern mehr als 75 Prozent der Aktien der Jil Sander AG auf. Sander hatte eigentlich eine Kooperation gesucht, um die Accessoires Sparte zu vergrößern. Im Jahr 2000 gab sie dann überraschend ihren Posten als Vorstandsvorsitzende in dem von Prada-Chef Patrizio Bertelli geleiteten Unternehmen auf. Genauso überraschend übernahm sie aber 2003 erneut die Design-Verantwortung im Unternehmen.
Das Unternehmen schrieb seit 2001 rote Zahlen, und auch die Rückkehr von Frau Sander konnte nur einen Umsatzzuwachs von 4 % generieren, von Kritikern und Fans wurden die Entwürfe aber stets hoch gelobt. 2004 verließ Sander dann erneut das Unternehmen.

2005 wurde der Belgier Raf Simons Chefdesiger bei Jil Sander, was die Firmenverluste aber immer noch nicht stoppen konnte. Auch der Hamburger Flagshipstore wurde in dieser Zeit geschlossen!
Es kam wie es kommen musste: Im Februar 2006 verkaufte Prada Jil Sander für geschätzte 120 Millionen Euro an den britischen Finanzinvestor Change Capital Partners (CCP). Change Capital übernahm nicht nur die Marke Jil Sander, sondern auch die Führungsmannschaft und Designer Simons. Ende 2006 wurde die Börsennotierung der Jil Sander AG von CCP aufgehoben.
Im Oktober 2008 verkaufte dann Change Capital Partners seine Anteile an Jil Sander für 167 Millionen Euro an die japanische Firma Onward Holdings Co. und deren europäische Tochtergesellschaft Gibo Co. Seither firmiert das Unternehmen innerhalb der Onward Holdings Gruppe als Jil Sander SpA mit Headquater in Mailand und als Jil Sander K.K. mit Sitz in Tokio. Und nein, bei K.K. habe ich LEIDER nicht die Finger im Spiel 😉
Doch Jil Sander tauchte 2009 wieder auf: Als Kreativdirektorin der japanischen Bekleidungs-Kette Uniqlo entwarf Jil Sander nahezu drei Jahre lang eine preisgünstige Mode-Kollektion namens +J für Damen und Herren im typischen Sander-Stil. Die Kollektionen waren in Deutschland nicht erhältlich. Die Zusammenarbeit mit Uniqlo endete im Herbst 2011.
Man ahnt es schon: Am 28. Februar 2012 kehrte Sander in das von ihr gegründete Unternehmen als Kreativdirektorin zurück. Die Japaner hatten zuvor die Zusammenarbeit mit Chefdesigner Raf Simons als Kreativdirektor bei Jil Sander im gegenseitigen Einvernehmen beendet. Kritiker bescheinigten ihr, dass sie „immer noch in der ersten Liga der internationalen Designer spielt“
Im Herbst 2013 kehrte Sander ihrem Unternehmen erneut den Rücken. Es soll aus privaten/familiären Gründen gewesen sein, was auch Thema in der Yellowpress wurde (ihre Lebensgefährtin verstarb kurz darauf an Krebs).
Sanders Firmennachfolger wurde der ehemalige Prada Damenmode-Chef Rodolfo Paglialunga, der 2017 dann vom Designer-Ehepaar Lucie und Luke Meier abgelöst wurde, die bis heute die kreative Verantwortung bei Jil Sander inne haben.
Stürmische Geschichte kann man da wohl nur sagen!
Heute lebt Jil Sander sehr zurückgezogen abwechselnd in Deutschland und Ibiza. Ihre dezente Art lässt es nicht zu, sich in die Öffentlichkeit zu drängen, was ich an Frau Sander immer sehr geschätzt habe. Ich hoffe, sie ist heute noch Stolz auf das was sie erreicht hat, wie eine Mutter auf ihr Kind. Wie stilbildend sie war und welche Erfolge sie feiern konnte. Ihr Name steht trotz allem immer noch für höchste Qualität in Design.
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(Fotos: Konsumkaiser, Screenshots Jil Sander Website Keinerlei Sponsoring)
Im Museum für angewandte Kunst in Frankfurt am Main läuft noch bis 6.05.2018 eine Ausstellung zu Jil Sander.
Ihr Lebensweg -wie Du ihn oben beschreibst- wird dargestellt. Kollektionen werden gezeigt (Leider darf man nix anfassen) die extra für die Ausstellung neu produziert wurden, es gibt Multimedia-Installationen mit dem Thema Laufsteg, Backstage etc.
Die Konzepte der Flagshipstores werden dargestellt, mit Originalentwurfszeichnungen, Nachbauten etc.
Klanginstallationen in den einzelnen Räumen gehören auch dazu.
Mir hat sie sehr gut gefallen, insbesondere vermittelt sie sehr gut wie Jil Sander ihr „Ding“ gemacht hat, so dass Jil Sander unverkennbar ist.
Allein schon die Mini-Details am Logo. Welches seit 197?? nicht mehr geändert wurde und immer zeitgemäß war und ist.
Lohnt sich meiner Meinung nach die Ausstellung zu besuchen.
Von der Ausstellung hatte ich auch gelesen, aber deine Beschreibung hat mich jetzt doch mehr als neugierig gemacht.
Vielleicht schaffe ich es noch hinzugehen.
Danke für den Tipp!
Viele Grüße, KK
Ich kann die Ausstellung wärmst empfehlen!
Davor wusste ich nicht mal, dass Jil Sander aus Deutschland kommt. Sehr Interessanter Beitrag KK.
Sehr interessant. Ich bin große Anhängerin ihres Stils und er prägt mich heute noch wesentlich. Alles, was ich mal da kaufte (ebenfalls immer mit Bauchschmerzen wegen des Preises) war der große Renner und ich trug es so, dass sich der Preis sogar übermäßig amortisiert hat.
In Frankfurt gibt es gerade noch bis Mai, glaube ich, eine Ausstellung über ihr Lebenswerk und ich schaffe sehr bedauerlicherweise nicht, hinzufahren. Mich würde sehr interessieren, wie es kuratiert wurde und in welchem räumlichen Ambiete es präsentiert wird.
Ich hatte mal ein hellblauen Kaschmirsommermantel, der mit Seide gefüttert war, im Hamburger Outlet gekauft. Ich trug ihn fast Tag und Nacht, irgendwann zerriss das Futter und es ließ sich nicht wieder herstellen. Ich ließ ihn noch mal neu füttern, aber er wurde damit doppelt so schwer und ich trug ihn nicht mehr. Ich bin heute noch froh, damals die Kohle bezahlt haben, ich liebte ihn. Ein kleines, schwarzes, knielanges Kleid hab ich mir mal in München gekauft. Das Material ist unglaublich. Es wiegt nur 80 Gramm, klein wie ein zusammengepackter Einkaufsbeutel, trotzdem dicht und fest und ich packe es noch immer auf Reisen mit ins Gepäck, falls ich mal überraschend fein gekleidet sein will. Da es Spaghettiträger hat, hab ich einen langärmligen und ärmellosen schwarzen Body dazu, der es zu jedem Wetter und Anlass tragbar macht.
Mir tat unsagbar leid, dass es die Uniqlo-Sachen damals hier nicht gab, von der Marke trage ich heute den überwiegenden Teil meiner Garderobe. Ich hörte zum ersten Mal im Zusammenhang mit Jil Sander davon. Bei beiden staune ich immer, wie nichtssagend die auf Bügeln sind und dass ich nach dem ersten Tragen am liebsten noch mal kaufen würde. Bei Jil Sander ist das natürlich nicht drin. Vielleicht ist sie mit Uniqlo ihrer ursprünglichen Vision von minimalistischer und gut designeter Kleidung zu kleinen Preisen am nächsten gekommen, wobei ich mich frage, wie sie die je haben konnte. Sie ist doch so eine Qualitätsfetischistin, auch im Material. Aber vielleicht war es auch eine Entwicklung, die später kam.
Bei den Düften mag ich interessanterweise die neuen jetzt lieber, angenehm alltagstauglich und für meine Hautchemie perfekt. Allerdings hauen die die in einer Frequenz raus, die mich staunen lässt.
Danke, für den sehr interessanten Artikel. Ich finde es toll, wenn sich mal ein Designer nicht ins Rampenlicht drängen muss.
Im Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt gibt es noch bis zum 06.05.2018 eine Jil Sander Sonderausstellung.
Überwiegend natürlich zum „künstlerischen Schaffen“, allerdings gibt es dort auch paar Eindrücke in das Privatleben.
Sehr interessant und absolut sehenswert…
Aber schnell sein. Die Zeit läuft… 🙂
Mir fehlt in dem Artikel der Name Herbert Frommen. Der damalige Lancaster-Chef war es, der ihr Potenzial als Namensgeberin für Düfte und Kosmetik erkannte. Es war die Phase dieser Kooperation, die Jil Sander zu einem Mythos machte. Bogner, Joop und Davidoff waren weitere Parfümerie-Marken, die unter ihm entstanden.
Ich fand Ihren cleanen, zurückgenommenen und zeitlosen Stil besonders für die damalige „Denver-Star“-Mode – sowie Frau Sander höchstselbst – extrem cool (auch wenn die Preise dafür damals arg mit meiner Geldbörse kollidiert sind ;-)).
Ihre Parfums fand ich im Gegensatz dazu immer erstaunlich opulent bis nahezu wuchtig, nur Sun bildete hier eine Ausnahme (war mir aber immer noch zu blumig – trotzdem verbinde ich mit diesem unverkennbaren Duft, den man ja auch heute noch oft an jemand riecht, schöne Erinnerungen und „Kopfkino“ an unbeschwerte Zeiten).
Mit ihren Parfums – auch nicht mit „Sun“ – verbinde ich rein gar nichts.
Jil Sander war und ist für mich der Inbegriff des Hosenanzuges. Erotisches Understatement. Stärke zugleich mit Empfindsamkeit. Kraft mit Zerbrechlichkeit. Distanz die Herausfordert. Besonders sein ohne over the top zu sein.
Ich liebte und liebe diese typischen Anzüge aus den 90ern.