BEAUTY-GASTBEITRAG (DINAH): Schneckenschleim in Kosmetik – mehr Schein als Schleim?

Bei exotischen Inhaltsstoffen in Hautpflege bin ich ziemlich experimentierfreudig, frei nach dem Motto „Wenn’s schön macht …“. Nach meinen ersten Erfolgen mit einer First Treatment Essence und fermentierter Hefe stolperte ich über Produkte mit Schneckenschleim und musste das natürlich ausprobieren…

Gartenschnecke Foto Rasbak Wikimedia creative commons
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Damals hielt ich den Schleim für ein asiatisches Beautygeheimnis mit uralter Tradition, aber in Wirklichkeit hat der Hype in Südkorea erst vor ein paar Jahren angefangen: It’s Skin brachte als erster Hersteller 2009 seine „Cream d’escargot“ auf den Markt, ein Jahr später zog Missha nach. Beide kopierten eine chilenische Creme, die sich seit 1995 zu einem Bestseller entwickelt hatte.

Schneckenschleim soll so einiges können: Hautschäden reparieren, Falten minimieren, die Elastizität der Haut verbessern und Rötungen und Narben verblassen lassen. Wie dieser Schleim gewonnen wird, dazu machen die Hersteller allenfalls vage Angaben. Also habe ich im Internet recherchiert und Folgendes herausgefunden: Der Schleim, den die Gartenschnecken mit dem wissenschaftlichen Namen Helix Aspersa Müller absondern, um sich fortzubewegen, ist für die Haut völlig wirkungslos. Potenzielle Wirkstoffe enthält nur der Schleim, den die Schnecken unter Stress produzieren und der korrekt als Sekret bezeichnet wird. Das gefilterte und gereinigte Sekret ist unter der Bezeichnung „Snail Secretion Filtrate“ (SSF) im INCI-Code für Kosmetika registriert. Um diesen Schleim zu gewinnen, werden die Schnecken je nach Farm mit kaltem Wasser begossen, mit Stöcken gestoßen, mit Stromstößen gereizt oder durch „Füttern“ mit Salzwasser dehydriert. Offiziell ist das keine Tierquälerei und die Schnecken nehmen keinen Schaden – sie werden eben nur „gestresst“. Nun ja.

Die Verwandlung von einem Liter Rohsekret in kosmetisch verwendbares SSF kostet rund 1000 Euro. Aber gibt es nicht etliche preiswerte Produkte, die überwiegend aus Schneckenschleim bestehen? Garantiert nicht. Der Knackpunkt ist die genaue Bezeichnung. An erster Stelle der INCI steht meistens „Snail Slime Extract“ und ein Extrakt ist das Gegenteil eines Konzentrats, nämlich Wasser mit einem bestimmten Anteil gelöstem Wirkstoff. Wie hoch dessen Konzentration ist, weiß nur der Hersteller. Wesentliche Informationen hierzu verdanke ich einer koreanischen Fernsehsendung, deren Inhalt Kevin Jang in seinem Blog übersetzt und kommentiert hat: haninskin.blogspot.de/2015/03/be-careful-what-you-buybuy-into-with.html?q=snail+slime. Natürlich ist es etwas problematisch, sich auf einen Beitrag zu beziehen, den man selbst nicht versteht, aber ich halte die Übersetzung für zuverlässig, zumal die Aussagen plausibel sind. Das verlinkte Video ist auch ohne Sprachkenntnisse sehenswert, weil es Aufnahmen aus einer koreanischen Schneckenfarm zeigt inklusive Gewinnung des Schleims.

Eine wichtige Aussage der Fernsehdokumentation ist, dass die Menge an Schleimfiltrat, die in den Farmen gewonnen wird, auf keinen Fall ausreichen würde, um den internationalen Markt mit Produkten zu beliefern, die überwiegend aus dem Wirkstoff, also Filtrat, bestehen. Die „schleimige“ Konsistenz der Schneckencremes und -seren wird künstlich mit Hilfe von Verdickungsmitteln und Emulgatoren erreicht. Selbst wenn die Konsumenten den Eindruck haben, dass sich diese Produkte positiv auf ihre Haut auswirken, ist unklar, in welchem Ausmaß weitere enthaltene Inhaltsstoffe dafür mitverantwortlich sind. Wie bei allen Hautpflegeprodukten ist immer die Formulierung insgesamt entscheidend. Man kann nicht zwangsläufig davon ausgehen, dass eine Creme mit 95 Prozent „Snail Slime Extract“ wirksamer ist als eine mit 80 Prozent.

Weshalb könnte das Sekret von Schnecken überhaupt die Haut verbessern? Das liegt anseiner biochemischen Zusammensetzung. Es enthält u.a. Proteoglycan und Glycosaminoglycan, feuchtigkeitsbindende Zuckerarten, Allantoin, Hyaluronsäure, Collagen, Kupferpeptide und Spurenelemente wie Kupfer, Zink und Eisen. Außerdem hat das Sekret antibakterielle Eigenschaften.

Besonders viele Studien zur kosmetischen bzw. medizinischen Wirkung von Schneckenschleim gibt es allerdings nicht und die meisten wurden lediglich in vitro an Zellkulturen durchgeführt. Vielversprechend klingt immerhin das Ergebnis einer Studie aus dem Jahr 2013: Bei 25 Probanden mit sichtbaren Falten wurde drei Monate lang jeweils eine Gesichtshälfte mit einer Emulsion mit 8 % SSF sowie einem Serum mit 40 % SSF behandelt, die andere Gesichtshälfte mit Placebos. Tatsächlich brachte Schneckenschleim hier messbare Verbesserungen bei der Faltentiefe, ansonsten veränderte sich der Hautzustand nicht. Eine andere Studie aus dem Jahr 2009 mit 15 Teilnehmern dokumentiert im Hinblick auf Falten ebenfalls eindrucksvolle Ergebnisse nach drei Monaten, außerdem waren Hautfeuchtigkeit und Elastizität deutlich verbessert, während der Einfluss auf Hyperpigmentierungen gering war. Zur Behandlung von Akne mit Schneckenschleim liegen keinerlei Erkenntnisse vor.

Lohnt es sich also, sich Schneckenschleim ins Gesicht zu schmieren? Schwer zu sagen. Meine Haut hat sich durch entsprechende Produkte nicht verbessert, aber ich habe auch keine tiefen Falten. Allerdings weiß ich, was sich garantiert nicht lohnt: Ein „Snail Facial“ mit lebenden Schnecken für 250 $ in einem asiatischen Beautysalon.

Quellen: http://gourmetskinbar.com/blogs/the-essential/51248259-the-truth-aboutsnail-

beauty-products (aufgerufen am 29.08.2015),

http://www.thehealthyskinblog.org/snail-slime-scam-or-panacea/ (aufgerufen am

29.08.2015), http://haninskin.blogspot.de/2015/03/be-careful-what-you-buybuy-intowith.

html?q=snail+slime (aufgerufen am 30.08.2015),

http://thebeautybrains.com/2009/02/are-snail-creams-good-for-your-skin/ (aufgerufen

am 30.08.2015), http://www.labmuffin.com/2015/06/snail-slime-skincare-science/

(aufgerufen am 30.08.2015),

http://jddonline.com/articles/dermatology/S1545961613P0453X#close (aufgerufen am

31.08.2015), http://www.nononsensecosmethic.org/wp-content/uploads/2012/09/snailcosme-

derm.pdf (aufgerufen am 31.08.2015)

(Foto: Gartenschnecke-foto-rasbak-wikimedia-creative-commons  Keinerlei Sponsoring)


19 Gedanken zu “BEAUTY-GASTBEITRAG (DINAH): Schneckenschleim in Kosmetik – mehr Schein als Schleim?

  1. Tolle Recherche! Nichtsdestotrotz – egal, was in meiner Missha Aqua Snail enthalten ist, meine extrem empfindliche Haut sah noch nie so feinporig, zart und gesund aus. Und auch die Rötungen sind weniger geworden. Andere Snail Cremes habe ich noch nicht probiert.

    1. @Nate: Es ist natürlich prima, dass die Missha Aqua Snail Cream so gut auf deine Haut wirkt. Ob das nun vor allem am Schneckenschleim liegt, wer weiß das schon … Ich habe aber eben mal nach den INCI geschaut und gesehen, dass da neben interessanten Inhaltsstoffen wie Baobab und Adenosin an vierter Stelle Alkohol enthalten ist. Für meine trockene Haut wäre das nichts. Ich habe schon häufiger begeisterte Berichte von Leuten mit eher öliger Mischhaut gelesen, wie toll ihre Haut mit einem „Alkoholprodukt“ geworden ist, aber bei mir funktioniert das grundsätzlich nicht.

      1. Hm, auf Alkohol reagiert meine empfindliche, trockene Mischhaut normalerweise sehr, sehr irritiert, ich würde fast sagen auf eine Art allergisch. Warum das hier nicht passiert, weiß ich nicht. Das hatte ich mal mit meiner Freundin besprochen, die mir sagte, dass es verschiedene – in dem Fall auch hautschonende – Möglichkeiten gibt Alkohol aufzubereiten.

  2. Moin!
    Super und besten Dank in diese Grundlagen-Einfühurung zum Thema Schneckenschleim! Wüsste gerne, wie sich das Zeug im Vergleich zu Retinol macht. Es wird vermutlich aber keine Vergleichsstudien geben, da sich das Schneckenzeug so schon gut genug verkauft. Denk ich mal so vor mich hin…

    Schönen Sonntag! 🙂

    Nikkita

    1. @Nikkita: Ich glaube nicht, dass man die Wirkung von Schneckenschleim und Retinol direkt vergleichen kann. Bei Retinol wird die Kollagenproduktion als Reaktion auf einen von der Haut wahrgenommenen Reiz gesteigert, das ist ein Reparaturmechanismus. Bei Schneckenschleim müsste das ja anders ablaufen, weil er eben gerade nicht reizend wirkt. Man darf auch nicht vergessen, dass die Probanden bei der erwähnten Studie täglich mit 40% Schneckenschleimfiltrat behandelt wurden, also nicht mit 40% Extrakt – und Produkte mit einem so hohen Anteil an reinem Sekret gibt es vermutlich gar nicht zu kaufen

  3. Hallo Dinah 😊

    sehr informativ!!! Zuvor noch nie so ausführlichen Bericht gelesen über das Sekret der Kriechtiere 🐚
    Ich denke auch… wie in Deinem Abschluss-Statement… die Investition lohnt sich nicht, obwohl ich es noch nie ausprobiert habe – mein Instinkt rät mir ab! 😊
    Es ist bekanntlich wie so oft nur ein weiterer Versuch der Kosmetikbranche „Ersatzstoffe“ für Retinoide & Co auszumachen bzw. weitere Hoffnungen zu schüren, Schäden wett machen zu können!
    (siehe auch Eckel-Aktionen, wie mit Sperma, Taubenkod etc.)
    Dermatologen, Paula (live chat), Skinactives Team sprechen alle gemeinsame Sprache:
    rausgeworfenes Geld!

    Ich vertraue den Experten ✌

    Trotzdem BESTEN DANK für die Info!!!

    GRUSS
    der hydro

  4. Ich habe aus der MISSHA Snail Serie die Sleeping Mask in Verwendung. SSF steht im Gegensatz zu den anderen Produkten aus dieser Serie an Platz 2. Allerdings ist nirgendwo ersichtlich wieviel % SSF. Wenigstens ist es nicht das „Extrakt“. Aufgrund der tollen Recherche und Sichtung der Videos werde ich die Produkte aufbrauchen aber nicht nachkaufen. Die Produkte tun meiner Haut gut (tiefe Falten), allerdings kein Vergleich zu meinen anderen Overnight Treatments wie Radiant Night Peel (Teoxane) oder Retinol 1%. Natürlich kann man das wie Dinah richtig ausführt nicht vergleichen, und im Wechsel mit anderen Treatments ist es wohl eine schleimige Alternative und ein – wie ich finde – super Feuchtigkeitsspender – wie auch immer gewonnen, manchmal will man das gar nicht so genau wissen 😄Die Recherche ist toll, war sicher viel Arbeit, vielen Dank dafür !

    1. Herzlichen Dank für das Lob 🙂 Die Sleeping Mask von Missha enthält 15% Filtrat, das steht im deutschen Shop in der Produktbeschreibung. Ich kann mich dunkel erinnern, dass da früher mal was von „70 % Schneckenschleimextrakt“ stand, insofern finde ich es gut und vorbildlich, dass jetzt die konkrete Prozentzahl an SSF genannt wird

    2. Auf meiner Packung steht bei den INCIS Snail Secretion Filtrate und auf der anderen Seite der Packung 15 % Snail Slime Extract. Die sind sich nicht so ganz einig. Tippe bei dem Preis dann aber doch auf Extrakt. 😉

  5. Es gibt die Ansicht, wenn Schnecken über Warzen kriechen, sollen diese verschwinden.
    Bei meiner Nichte hat das funktioniert. Ob es an dem Schneckenschleim lag ? Ich bin da zwar immer ziemlich skeptisch, aber irgendwas muß drin sein, da ich davon schon öfter gehört habe.

    1. dazu weiß man heute, dass das rein psychologischer natur ist. eine form des placebo effektes. der ekel in uns, regt das immunsystem scheinbar an und die warze (meist durch viren verursacht) wird „bekämpft“. das klappt auch mit „besprechen im mondschein“ 🙂 da ist es das „unheimliche“, was den körper anregt.
      liebe grüße, kk

  6. Sehr interessanter und ausführlicher Beitrag! 🙂 ich habe auch schon meine erfahrungen mit schneckenschleim gemacht, benutze momentan die mizon snail recovery gel cream, die 74% Schneckenschleim enthalten soll. Vor ein paar Monaten habe ich die Benton snail bee high content essence benutzt, die sogar 90% Schneckenschleim enthält. Beide Produkte haben mich nicht sonderlich beeindruckt, anstatt der essence verwende ich jetzt im wechsel die hyaluronic acid essence von cosrx und das bioderma hydrabio serum. Die gel cream brauche ich noch auf, kaufe sie aber auch nicht nach. Nachdem du beschrieben hast, wie das snail secretion filtrate gewonnen wird, sowieso nicht…
    Aber nochmal zurück zu den hohen Mengen Schneckenschleim in meinen beiden genannten Produkten: bei beiden steht snail secretion filtrate am anfang der inci liste, du meintest aber, dass eine so hohe menge (90% und 74%) nicht in einem produkt enthalten sein kann. Gibt der Hersteller dann tatsächlich nur den Anteil des gesamten Schneckenschleims an? Da fühle ich mich doch tatsächlich ein klein wenig verarscht… 😦 die beiden produkte bekommt man übrigens für gerade mal 5€ (gel cream) und 10€ (essence) über ebay…
    Grüße, Steffi

    1. @Steffi: Ich habe auch monatelang Produkte von Benton und Mizon benutzt und keine Wirkung auf meine Haut beobachten können. Tatsächlich werben beide Hersteller mit der Behauptung, ihre Produkte enthielten fast ausschließlich Schneckenschleim, also Sekret. Aufgrund meiner Recherche wage ich zu behaupten, dass hier die Begriffe nicht korrekt benutzt werden, denn es ist explizit die Rede von 90 bzw. 74% Filtrat. Da müsste so ein Produkt über 100 Euro kosten. Von Benton habe ich schon lange nichts mehr gekauft, aber von Mizon habe ich noch ein Gesichtsspray, auf dem steht auch „90 % of Snail Slime Filtrate“. Ich zweifle diese Angabe an, aber bevor ich das nicht hinreichend geklärt habe, werde ich zu dem Produkt kein Review schreiben. Ich suche noch jemanden, der mir die koreanischen INCI auf der Spraydose übersetzen kann.

  7. Vor etwa zwei Wochen habe ich mir einen richtigen Riss am rechten Ringfinger eingefangen, eine richtige kleine Fleischwunde. Bepanthen hat gebrannt, konnte ich nicht drauf machen. Da ich experimentierfreudig bin, habe ich einfach mal die Benton Snail Bee Essence drauf gegeben und da hat nichts gebrannt. Die Wunde ist total schnell verheilt und heute sieht man schon absolut nichts mehr. Ob es nun am Schleim liegt oder woran auch immer, wenn ich in Zukunft wieder mal kleine Wunden habe, kommt die Essence drauf.

    Die dazu gehörende Creme kann ich übrigens für den Zweck nicht empfehlen. Die hat richtig heftig gebrannt und so für zusätzliche Schmerzen gesorgt.

  8. Danke für die Recherche! Bin auf den Hype – Wagen aufgesprungen und verwende seit ein paar Monaten ein paar Produkte von Missah. Keine Nachkauf für mich.

    Lieben Gruß aus Wien
    Regina

  9. Erst mal ein großes Lob für deine intensiv recherchierten Beiträge hier, Dinah!
    Die koreanische/asiatische Pflege ist bisher an mir vorbeigegangen, vor allem, weil ich bisher nie zufriedenstellende Informationen dazu fand. Die Lücke hast du nun geschlossen. Andererseits habe ich auch so genug, was ich testen, benutzen und verbrauchen möchte… 😉 ich bleibe also vorerst weiter pflegeseitig in Europa.

    Ich hätte nicht gedacht, dass ich in meinem Leben mal Mitleid mit Schnecken haben würde. Jetzt schon.
    Viele Grüße, April

  10. Mag ja sein, dass es offiziel nicht als Tierquälerei gilt, Schnecken unter Stress zu setzen.Aber Schnecken mit kaltem Wasser zu bespritzen, mit Stromstößen zu traktieren, mit Steinen zu stoßen und mit Salzwasser zu dehydrieren, das ist für michh einwandfrei Tierquälerei – auch wenn es sich „nur“ um Schnecken handelt. Auch Schnecken sind Lebewesen.Und Lebewesen zu quälen geht einfach gar nicht.
    Daher ist diese Kosmetik für mich ein absolutes No go
    Ich bleibe da lieber bei veganer Kosmetik.
    Liebe Grüße aus Essen von Barbara

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